My talented child
Sie sind perfekt, als würde man eine Realitysoap über das Produkt der vollkommenen Harmonie drehen, als hätte man Robotor mit einem menschengleichen Latexanzug überzogen.
Doch dort wo die kleinen Auslöser und Betätigungsknöpfe liegen, wo die Kabel in Strängen gewunden, vernetzt sind, brodelt es.
Eine Suppe köchelt vor sich hin und jeder von ihnen ist es gewohnt so zu tun, als wüsste er nicht von dem bevorstehenden Knall, diesem Sprengsatz unterhalb ihrer Herzen, wo die Seele liegen musste.
Abgesehen von der kleinen beunruhigenden Tatsache ist besonders sie die Verkörperung einer unterkühlten Eleganz.
Wegen den Krampfadern, die allmählich ihre dünnen Beine zu durchfurchen beginnen, trägt sie knielange Bleistiftröcke, die Bluse eng, hochaufgeschlossen,aber transparent, der BH schwarz oder grau, das Haar zu grell gefärbt, in einer Schnecke um ihren Kopf gelegt und Kajal nah an die Winpern gepinselt, Konturen um die Lippen gelegt, eine Lächeln tragend, es fällt ihr merklich schwer, ihre Unantastbarkeit zu wahren.
Eine fallende Locke, ein verschmierter Strich , ein hängender Bügel würden sie aus dem Gleichgewicht bringen, sie verbringt schon zu viele Jahre in dieser Trance, als dass sie auf einen derartigen Schicksalschlag vorbereitet wäre!!
Unter ihren langen Fingern ruht die Schulter ihrer Tochter, ihres Ertrages und ihrem Bindeglied zwischen der abgekühlten Beziehung.
Sie trommelt auf den knochigen Schultern der Tochter, und die Innenhandfläche schiebt dieses unscheinbare Etwas unnachgiebig zur Tür.
Kurz hält sie inne, schafft es fünf Sekunden zu opfern, fünf Sekunden, in denen sie in Hass ihrem Mann gedenkt, der nicht mitgekommen ist.
Er musste doch wissen, dass seine Tochter die Rolle bekommt.
Sie ist voll von dieser Gewissheit, welche Menschen in sich tragen, wenn sie von einer Brücke vorhaben zu springen, beten oder einen Mord planen.
In gewisser Weise stimmen diese drei Dinge auch tatsächlich überein, sie bereitete ihrer tochter ein Leben in schwindelerregender Höhe, sie meditierte während all der Castings still vor sich hin und plante den kleinen grausamen Seelen ord ihres Kindes.
Doch diese junge Frau, eine der vielen, der der Mann in einem tristen Vorstadtbüro abhanden gekommen ist, steht in dem Wartesaal, mit tausend anderen ihrer Spezies und ihren kleinen Maschinen.
Sie ist eine der besonderen einmaligen Gattung, ein Unikat und Glanzstück unter den ganzen konturenlosen Müttern.
Sie vertuscht nicht und ist greifbar, an ihren kleinen Kanten, und entgleitet dann dennoch immer.
Sie ist emotionslos, schweigt und ist dennoch nicht böse.
Sie will doch nur das Beste !
Die Tochter ist ein fahler Strich inmitten des Labyrinths an Gängen, durch welche sie gelenkt wird.
Sie verlässt sich instinktiv auf die Mutter, ihr Navi und Kompass.
Sie könnte genausogut blind und taub sein und die beschwörungen tagtäglich nicht hören und den angestrengten Blick ihrer Mutter entgehen.
Sie hat keine Ahnung von dem Geld, aber die Hoffnung darauf.
Dieser kleine Strich mit dem hängenden Haar und zerkauten Nägel bildet sich ein, irgendwann besitzen zu dürfen.
Sie rührt gegen ihre Konkurrenten auf, die Takes durchgehen und Gesten üben, sie überfährt sie mit ihrer aggressiven Art und der lauten Stimme.
Man sagt, dass ihre Stimme wehtut.
Sie baut auf ihre Familie, auf totem Boden, der jedes Wassertröpfchen aufsaugt.
Sie schiebt die Hand der Mutter nicht weg, als sie angkommen sind, obwohl sie genau weiß, dass sie zu alt für schulterberührungen ist.
Sie interpretiert den Ehrgeiz als Liebe und die Habgier als Stolz ihrer Mutter.
Sie erhebt auf nichts Anspruch, außer auf die Rollen und schlägt die Beine übereinander, wirft einen Blick in den Spiegelnund tuscht sich die Wimpern nach.
Sie ist zehn Jahre alt.
Und kann sich nicht vorstellen zu verlieren.