Im Reich des Todes
hab gerade das SZ-Magazin durchgeblättert und bin auf einen sehr bewegenden Artikel gestoßen.
es ist nicht so, dass ich von Artikeln immer übermäßig bewegt werde, aber dieser ("Im Reich des Todes"; Text von Michael Obert; Fotos von Moises Saman) berührt so sehr, dass ich als mindestes darüber schreiben kann und die Fakten ein kleines Stückchen weiterbringen kann.
Weil die Reportage über mehrere Seiten geht und ich davon ausgehe, dass ihr nicht alle die SZ lest, schreibe ich euch Passagen eins zu eins raus (in der richtigen Reihenfolge)
Es sind die Passagen, die, so denk ich, das Leid am intensivensten vor Augen führen!!!!
"Die ganze Welt schaut nach Kairo-zugleich foltern Beduinen auf der ägyptischen Sinai- Halbinsel
Tausende afrikanische Migranten, um Lösegeld zu erpressen.Und gleich nebenan machen ahnungslose deutsche Touristen Urlaub."(Einleitung)
" " Sie haben mich an Eisenketten an der Decke aufgehängt", sagt Selomon leise.
"Vier Tage lang, an einem Haken wie ein geschlachtetes Tier""(Eines der afrikanischen Opfer)
"Doch dann wird er (Selomon) im Ostsudan von lokalen Räuberbanden gekidnappt, die ihn an ein international operierndes Netzwerk von Menschenhändlern vrkaufen.
Diese verschleppen Selomon über die Grenze nach Ägypten und weiter auf die Sinai-Halbinsel-in ein Foltercamp der hier lebenden Beduinen, arabische Viehzüchter mit nomadischen Wurzeln."
"Die Migranten kommen vor allem aus Eritrea, aber auch aus dem Sudan, aus Äthiopien und Somalia.
ihre Kidnapper schlagen sie mit Stöcken, Ketten und Eisenstangen, bis sie ihnen die Telefonnummern ihrer Familien verraten.
Sobald die Verbindung steht, beginnt die Folter.
die Kidnapper drücken ihren Opfern Zigaretten in den gesichtern aus, brandmarken sie mit glühendem Metall, überschütten sie mit kochendem Wasser.
Sie umwickeln ihre Finger mit Kabeln und drücken sie in die Steckdose, bis das Fleisch schwarz wird, oder sie gießen ihnen Diesel über den kopf und zünden sie an, während die Angehörigen der Gefolterten daheim ihre Schreie über Handy mit anhören müssen."
"Gelinge es den Kidnappern mit ihren Foltermethoden nicht, das Lösegeld zu erpressen, dann töteten sie ihre Geiseln. (Selomon)"Oder sie schneiden dir Nieren, Leber, Herz und Augen heraus und verkaufen sie an Organhändler."
"Rund tausend Menschen sollen sich derzeit in den Fängen der Kidnapper befinden"
"(Menschenrechtler Hamid Al-Azazi):
" In den letzten zwei jahren haben wir in der Wüste Hunderte verstümmelte Afrikaner gefunden", erzählt Al-Azazi und zeigt uns auf seinem Computer die Fotos der Leichen:tot, geprügelt, verhungert, verbrannt, selbst im Tod noch aneinandergekettet. Körper ohne Köpfe. Ein Baby mit aufgeschlagener Schädeldecke. Eine junge Frau, mit Petroleum übergossen und angezündet. " Bevor sie starb", präzisiert Al-Azazi"
" Die einheimischen Aktivisten (New generation Foundation) versorgen Afrikaner, die den Foltercamps entkommen oder nach Zahlung des Lösegeldes freigelassen werden, mit Essen, Kleidung und Medizin."
"Auf seinem Computer zeigt uns Al-Azazi noch grausamere Fotos: Körper von Verstorbenen mit aufgesägten, leere Brustkörben; andere sind in der Mitte oder an den Seiten mit großen Stichen zugenäht.
" Nieren, Leber, Herz, Augenlinsen", zählt Al-Azazi auf- Organräuber sollen sie herausgeschnitten haben."
"Aus der ganzen Gegend rufen Leute ihn(Al-Azazi) an, wenn sie Leichen gefolterter Afrikaner in der Wüste finden"
"Wenn die Geiseln die Torturen in den Foltercamps überleben und tatsächlich freikommen, ist ihr Leidensweg noch lange nicht beendet:Viele irren tagelang in der Wüste umher."
" Die israelische Regierung hat einen Großteil des 240 Kilometer langen und fast fünf Meter hohen Stahlzauns fertiggestellt, der sich entlang der Grenze zu Ägypten von Eilat an der Nordspitze des Roten meeres bis nach Gaza zieht und afrikanische Flüchtlinge aus dem Sinai fernhalten soll.Im offiziellen israelischen Wortlaut werden sie mistanenim genannt " Eindringlinge"(...)Politiker vom rechten Flügel bezeichnen sie als " Krebsgeschwür in unserem Körper"(...)Das kürzlich verschärfte "Gesetz zur Bekämpfung der Infiltration" sieht vor, dass afrikanische Flüchtlinge bis zu drei Jahren festgehalten werden können. Ohne Gerichtsverfahren. Und mitsamt ihrer Kinder."
"Auf ägyptischer Seite ergeht es denen, die die Torturen in den Foltercamps der Beduinen überleben nicht besser. Denn statt gegen die Täter gehen Ägyptens Behörden gegen die Opfer vor(...)Schwerverletzte werden im Krankenhaus vin Al-Arish zwar notdürftig versorgt, aber mit Handschellen an die Betten gekettet."
" Experten schätzen, dass insgesamt mehr als 10000 Afrikanern aus den Foltercamps freigekauft wurden. Bei einem Lösegeld von durchschnittlich 30000 Dollar würden sich die Einnahmen auf 300 Millionen Dollar belaufen.Wer gerade nicht flüssig ist, tauscht drei Geiseln gegen einen Toyota Landcruiser.Für sieben Afrikaner gibt es bereits einen Lastwagen."
"Überlebende der Foltercamps berichten zwar von einem Mann mit weißem Kittel und Arztkoffer, den die Kidnapper ihren Geiseln vorführen, um ihnen dann zu drohen: "Wenn eure Familie nicht zahlt, schneidet der Doktor eure Nieren raus." Aber selbst gesehen hat einen Organraub niemand.Vielleicht ist die Drohung eine perfide Psychofolter, um die Zahlung der Lösegelder zu beschleunigen.Allerdings muss man sich dann fragen,was es mit den Fotos von professionell zugenähten Leichen auf sich hat."
"vor einer benachbarten Kellerzelle stehen täglich Beduinen an, um Frauen zu vergewaltigen. Mit dem heißen Gummi geschmolzener Kühlerschläuche verbrennen sie ihre Brustwarzen und stoßen Eisenstangen in ihre Vaginen.Selbst wenn eine der Frauen ihren Verletzungen erliegt, lösen sie ihre Fesseln nicht. Tagelang bleiben die Überlebenden an die Toten gekettet."
" Es ist eine bittere Ironie, dass ausgerechnet diejenigen am entschlossensten gegen die Kidnapper und Folterer vorgehen, die weltweit als Terroristen gefürchtet sind: die radikalen Islamisten.Auf dem Sinai operieren mehrere solcher militanten Gruppierungen, darunter die Tawhid wal-Jihad, die "Armee des Monotheismus und des Heiligen Krieges", die zum Terrornetzwerk al-Qaida gehört. Für die Islamisten ist die Folter wehrloser Menschen haram-Sünde.Und während Europa wegsieht, halten sie sich nicht mit langen Reden auf."
"Paradoxer geht es kaum. Die militanten Islamisten retten afrikanische Migranten vor der Folter.Weil Gott ihnen verbietet, wegzusehen, wenn wehrlose Menschen leiden.Und dann befiehlt derselbe Gottihren radikalen Gesinnungsgenossen, sich an einem viel besuchten Ort in Tel Aviv, New York, London oder Kabul in die Luft zu sprengen."
"Wir wollen wissen, was in einem Beduinen vorgeht, wenn er Afrikaner zu Tode quält. "Nichts",sagt er und lächelt."Ich bekam regelmäßig mein Geld." Der Lohn des Folterknechts.knapp 120 Euro im Monat. Der Mann lässt keine Anzeichen von Mitgefühl erkennen.Stattdessen erzählt er gelassen, als spräche er über die Pfirsichernte, wie sie Frauen in Strohzäune einrollten und anzündeten; wie sie ein Baby von der Brust der Mutter rissen, es erwürgten und damit Fußball spielten; wie sie ein Erdloch mit Glut füllten, einen Metallrost darüber legten und ihre Opfer auf die glühenden Stäbe warfen(...)Viele seiner Kollegen seien in den Verliesen des Regimes jahrelang selbst gefoltert worden. Mit den Methoden, die sie jetzt an ihren Geiseln erprobten."
für die Schwarz-Weiß-Denker:
Nicht jeder Beduine ist einer dieser grausamen Folterer. So ist ein Scheich, der in dem Text ebenfalls auftaucht, ein Gegner des Menschenhandels und kümmert sich um Überlebenden, die den Foltercamps entkommen konnten!
Übrigens: zu dem Artikel waren auch Fotos abgebildet, die ich nicht zeigen kann, aber sehr wohl umschreiben.
Es gab ein Bild, da war ein junger Afrikaner abgebildet, dessen Rücken man sehen konnte, der über und über mit Narben übersäht war...fette große Narben, die auf dem Schwarz-Weiß-Foto auffällig herausstachen...narben, die sich nicht verdecken lassen...narben, deren Geschichte nicht zu vergessen ist.
Man sah kaum den Gesichtsausdruck, aber ich denke er spiegelt das ganze Leid der psychisch und körperlich zugefügten Schmerzen wieder!
er ist wohl die größte Narbe, und nicht mehr zu flicken...
eure Stells